Kurzer Bericht von Tenga Rinpoches Abschied
[Der kostbare Kundung - Photo von Sherab Wangshuk, Kathmandu, 2012]
Wie Ihr wisst, wurde Kaybje Tenga Rinpoche am 26. März abends ins Krankenhaus eingeliefert. Am 28. um 17:30 Uhr äußerte Rinpoche seinen ausdrücklichen Wunsch ins Kloster zurückzukehren. Die Ärzte rieten ihm dringend davon ab, da dort die nötige medizinische Versorgung nicht möglich sei, und sagten Rinpoche ganz offen, dass sie keinerlei Garantie übernehmen könnten, wenn er ginge. Rinpoche blieb jedoch bei seinem Entschluss, der kurze Zeit später von S.H. Karmapa bestätigt wurde. Ein Krankenwagen wurde bereit gestellt und Rinpoche kam um 19:00 Uhr im Kloster an.
Zuvor im Krankenhaus war Rinpoches Zustand unerträglich. Er fühlte sich sehr schlecht und man mußte ihn jede Minute umdrehen. Außerdem konnte er nicht eine Minute schlafen. Das ging auch noch eine Weile so weiter, als er wieder im Kloster war, bis er um 20:30 Uhr Tashi Öser und Sherab Wangshuk bat, allen zu sagen, dass sie gehen möchten. Um etwa 22:00 Uhr bat Rinpoche acht Personen zu ihm zu kommen. Das waren: Tenpa Yarpel, Sherab Wangshuk, Jinpa Lodrö, Tashi Öser, Karma, Lama Geleg, Lama Tsondrü und Söpa Chöpel. Als sie eintraten, fanden sie Rinpoche friedlich schlafend und sie blieben still bei ihm bis Mitternacht.
Als Rinpoche kurz vor Mitternacht erwachte, sagte ihm Sherab Wangshuk, dass alle, die er zu sehen gebeten hatte, anwesend seien. Man half Rinpoche sich aufzusetzen und er begann seinen letzten Willen zu sprechen. Mehrmals bat er darum, seine Worte aufzunehmen, damit es später keine Missverständnisse gäbe. Einer von Rinpoches Wünschen war, dass einige Gegenstände aus Gold, die ihm vor kurzem geschenkt worden waren, in der großen Matreya Statue im Haupt-Tempel und in der goldenen Blüte am Dachfirst aufgestellt würden. Das ist schon geschehen.
Es war zunächst nicht erkennbar, aber nach einiger Zeit bemerkte man, dass Rinpoche nicht mehr darum bat, bewegt zu werden. Statt dessen saß er aufrecht und ruhig und schien nicht mehr krank zu sein. Während Rinpoche vorher immer schwindlig war, war das alles ganz verschwunden und Rinpoche schien sich nicht mehr unwohl zu fühlen. Ab und zu bat er um ein Glas Wasser oder Saft.
Etwas später wurde Tenpa Yarpel wiedergeholt und Rinpoche machte ganz klar, dass es sein Wunsch sei, verbrannt zu werden. Und er wurde noch genauer und verfügte, dass die vier Feuer Rituale für die Verbrennung von unseren Lamas und Mönchen von Kloster Benchen, von Tsike Chöling Rinpoche, von Chöky Nyinma Rinpoche und von Tulku Yönten vom Trangu Kloster und ihren Mönchen durchgeführt werden sollten.
Wieder etwas später wurde Sherab Wangshuk beauftragt, Rinpoches beste Wünsche allen seinen Schülern in Europa, Malaysia, Singapur, Taiwan und Indonesien zu überbringen und besonders Mrs How Yok Bee, Herrn und Frau Peter und Nora Rhode-Kvaede und Herrn Tashi Boldt und seiner Familie.
Dann wurde wieder Tenpa Yarpel gerufen. Rinpoche erklärte, dass es sein ausdrücklicher Wunsch sei, dass Tenpa Yarpel Senior Schatzmeister und Tashi Ösel Junior Schatzmeister von Kyabje Tenga Rinpoches persönlichem Nachlass werden sollten. Dies wurde schriftlich festgelegt und wird so befolgt werden.
Inzwischen war die Nacht fortgeschritten und es war frühmorgens am 29. März. Um 3:00 Uhr verlangte Rinpoche nach seiner Nichte Karmo. Dann wurde wieder Tenpa Yarpel gerufen und Rinpoche bat ihn, Sangyum Dechen, die Frau von Tsike Chokling Rinpoche für den nächsten Morgen einzuladen. Rinpoche betonte noch einmal, wie sehr er allen das Beste wünschte. Um 6:00 Uhr kam S.E. Sangye Nyenpa Rinpoche und blieb bis kurz vor 9:00 Uhr, als Sangyum Dechen kam. Rinpoche nahm ihre Ankunft zur Kenntnis, sagte aber nichts. Um etwa 9:30 Uhr bat sie Rinpoche gehen zu dürfen.
Danach fragte Tashi Öser Rinpoche, wie und wann man mit der Suche nach Rinpoches Reinkarnation beginnen solle. Rinpoches Antwort war klar: "Fragt S.H. Karmapa. Sein Rat wird ganz klar sein."
Mehr als 28 Stunden hatte Rinpoche ganz aufrecht und ruhig gesessen und schien die meiste Zeit in tiefe Meditation versunken. Abends wurde Tenpa Yarpel wieder zu Rinpoche gerufen und gebeten, seine Worte aufzunehmen. Es war Tenga Rinpoches Bitte an S.H. Sangye Nyenpa Rinpoche, dafür zu sorgen, dass alle traditionellen Rituale von Kloster Benchen, wie die Tänze, Pujas etc. in Zukunft weiterhin ununterbrochen fortgeführt würden. Tenpa Yarpel bat Kyabje Tenga Rinpoche, bitte ganz schnell wiederzukommen, Tenga Rinpoche lächelte und nickte.
Um etwa 13:00 Uhr erwähnte Tenga Rinpoche, dass er ganz deutlich seine Lehrer vor sich gesehen habe, den letzten, 11. Tai Situ Pema Wangchok Gyalpa, den letzten Sangye Nyenpa Rinpoche, den letzen Dilgo Khyentse Rinpoche und den 2. Jamgon Kongtrul Palden Kyentse Öser. Dann in den frühen Morgenstunden, um 3:24 Uhr Ortszeit, ist er endgültig gegangen.
Sangye Nyenpa Rinpoche war vorher immer wieder bei ihm gewesen.
Dieser Tag, der 8. Tag des 2. tibetischen Monats, ist ein heiliger Tag der Retterin Tara. Als der Augenblick schließlich gekommen war, opferte Sangye Neynpa die Worte des "Clarifying the Thugdam State" und sprach diese Worte direkt in Rinpoches Ohr. Entsprechend veränderte Rinpoche leicht seine Haltung, legte seine Hände in Meditationshaltung und ist seitdem in die tiefe Meditation eingegangen, die als "Thugdam" bekannt ist. Ein meditativer Zustand, in den große realisierte Meister eintreten können, wenn sie ihren Körper verlassen haben. Unmittelbar danach leitete Sangye Nyenpa Rinpoche die Rezitation der Gebete der "Drei Juwelen" und besonders des "Rufen des Lamas aus der Ferne" von Jamgön Kontrul.
Inzwischen kam der wertvolle Ratschlag von S.H. Karmapa, die Umgebung von Kyabje Tenga Rinpoche sehr ruhig zu halten und zum Kundung drei Tage lang keinerlei Besuch zu zulassen. Und das werden wir so machen.
Auf Kyabje Tenga Rinpoches ausdrücklichen Wunsch, verbrannt zu werden und auf den Rat von S.E. Sangye Nyenpa Rinpoche ist der Tag für die Verbrennung auf den 18. Mai 2012 festgelegt worden.
Für die nächsten Tage während sich Rinpoche im Thugdam befindet, empfiehlt S.H. Karmapa den "Guru Yoga der vier Sitzungen" und "Den Lama aus der Ferne rufen" von Jamgön Kongtrul zu praktizieren.
Mit den besten Wünschen,
das Benchen Monastery Committee
Nachtrag:
Wie Ihr Euch alle wahrscheinlich vorstellen könnt, sind wir momentan ziemlich beschäftigt, um alles auf die Art und Weise vorzubereiten, wie es unseren geliebten Meister am besten erfreut und dient. Damit beschäftigt sind uns einige Details entgangen, die uns jetzt wieder eingefallen sind. Diese wollen wir Euch mitteilen, bevor sie wieder in Vergessenheit geraten. Sie zeigen, wie Rinpoche an nichts anderes als an den Nutzen für andere dachte, während er selbst größte Unannehmlichkeiten und Schmerzen ertrug.
Am 28. März, als sich Rinpoche noch im Krankenhaus befand, drückte er den Wunsch aus, dass die mündliche Übertragung der Prajnaparamita Sutras, um die Drubwang Sangye Nyenpa Rinpoche gebeten wurde, auf jeden Fall und ohne Verzögerung erfolgen soll. Rinpoche erachtete dies als so wertvoll und nutzbringend, dass nichts dazwischen kommen sollte, nicht einmal sein eigenes Ableben. Während er sich in großen Unannehmlichkeiten und Schmerzen befand, sah Rinpoche wohl mit seinem geistigen Auge, wie der Tempel für dieses Ereignis vorbereitet wurde. Er sagte beispielsweise: "Ja, alle Thankas wurden angebracht, sehr gut. Aber sagt dem Schreinmeister und seinen Helfern auch, dass sie die Opferungsornamente an der Spitze anbringen sollen." Rinpoche bestand im weiteren darauf, dass man den Schreinmeister anweist, die Tormas, die auf dem Hauptschrein für das Ereignis arrangiert werden, in ausführlichster und vollständigster Weise herzustellen. So richtete er seine Aufmerksamkeit auf das kleinste Detail, während er selbst unter unvorstellbaren Beschwerden litt.
In den frühen Morgenstunden des 29. März, als er wieder in seinem Zimmer war, bat Rinpoche diejenigen Anwesenden, bestimmte Mantras zu rezitieren. "Tenpa, Du wiederholst Guru Rinpoche Mantras, Sherab, Du sagst Tara Mantras. Jinpa, Du wiederholst das Mantra von Namgyalma." Nach einer Weile fügte er hinzu: "Alle anderen, Ihr sagt ebenfalls das Mantra von Namgyalma." Nach ungefähr zwanzig Minuten sagte Rinpoche: "Jetzt ist es gut", und die Mantrarezitation konnte abgeschlossen werden.
Hier ein weiterer Punkt Rinpoches Gesundheit betreffend. Vor und während Rinpoches Krankenhausaufenthalt war Rinpoches Blutdruck extrem niedrig. Selbst die Verabreichung Blutdruck steigernder Medikamente zeigte keine Wirkung. Jedoch kurz nach dem Mittagessen am 29. März, als unser Klosterarzt Tsering Phüntsok Rinpoches Blutdruck kontrollierte, stellte er fest, dass dieser sich sehr verbessert hatte; anscheinend von selbst ...
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Ein kurzes Gebet für die schnelle Wiedergeburt von Kyabje Tenga Rinpoche
[Kyabje Tenga Rinpoche - Foto: Edward Henning, Darjeeling 1976]
CHOGTRUL TENGA RINPOCHE
THUG GONG CHÖYING CHIGSE KYANG
LARYANG TENDRO CHICHE LE
TRULPE DASHAL NYUR CHAR SOL
Höchste Emanation Kyabje Tenga Rinpoche,
Obwohl Du Deine Absicht mit Dharmadhatu zu einem vermischt hast,
Zum Wohle der Lehre und der Wesen, im Allgemeinen wie im Besonderen,
Möge das Mond-gleiche Antlitz Deiner Emanation bald wieder aufgehen!
Verfasst von Sangye Nyenpa
Dieses Gebet wurde von S.E. Sangye Nyenpa Rinpoche in den frühen Morgenstunden des 30. März 2012 in Gegenwart des kostbaren Kudungs von Kyabje Tenga Rinpoche verfasst. Sofort danach von Sherab Drime (Thomas Roth) übersetzt.