Der buddhistische Reliquienschrein - Stupa

Abgelaufen

Der Ursprung des Stupa kann bis ins alte Indien der vedischen Zeit zurück verfolgt werden. Im Tibetischen werden Stupas als "mchod rten" (sprich: Chörten) bezeichnet, wörtl.: eine Stütze oder ein Objekt, dem man Opferungen, bzw. Verehrung darbringt. Es war bereits in vorbuddhistischer Zeit üblich, die Überreste von Körpern besonderer Individuen in Grabhügeln beizusetzen.

Stupas buddhistischer Art sind jedoch nicht bloße Beisetzungsstätten. Sie fungieren als symbolische Repräsentationen, die dabei auch Reliquienbehältnisse sind, nicht jedoch nur als Reliquienbehälter mit besonderer Bedeutung oder Symbolik. Dabei sind es jedoch die Reliquien, die das Behältnis weihen und es somit zu einem besonderen machen und über seinen bloßen Behälterstatus erheben. Die enthaltenen Reliquien weihen somit das Behältnis mit Qualitäten, die vormals dem lebenden Urheber der Reliquien zugesprochen wurden. In alten Schriften werden Stupas erwähnt, welche die Reliquien von Buddhas enthielten, die bereits vor Buddha Shakyamunis Zeit erschienen. Also ist anzunehmen, dass solche Stupas bereits zu Buddha Shakyamunis Lebzeiten existierten.

Nach dem Mahaparanirvana Sutra war es der historische Buddha selbst, der festlegte, dass seine sterblichen Überreste in einem Stupa an der Kreuzung von vier Hauptstraßen beigesetzt werden sollten. Nach seinem Dahinscheiden in Kushinagara, wurden seine Überreste in acht gleichgroße Portionen aufgeteilt und, um Streitigkeiten zu vermeiden, unter den acht damaligen Königreichen des nördlichen Indien verteilt, in denen der Buddha gelebt und gelehrt hatte. Es wurden acht Stupas errichtet, um diese Überreste beizusetzen. Ca. 20 Jahre später wurden die Reliquien, die in sieben dieser Stupas beigesetzt worden waren, aus Sicherheitsbedenken wieder zusammengeführt und in einem einzigen Stupa in der Nähe von Rajghir beigesetzt. Der achte der ursprünglichen Stupas wurde der Legende nach von einem Nagakönig bewacht und verblieb unberührt.

Nachdem König Ashoka (Ashoka Maurya, ca. 304–232 vor Chr.) sich dem Buddhismus zugewandt hatte, entschied er, ein flächendeckendes Netz von 84.000 Stupas zu errichten und ließ daher den Stupa in Rajghir öffnen, um ihm zu eben diesem Zweck die Reliquien wieder zu entnehmen. Ob es ihm gelang, tatsächlich 84.000 Stupas zu errichten, kann heute nicht mehr nachvollzogen werden. Bekannt ist jedoch, dass eine große Anzahl von Stupas errichtet wurden, von denen selbst heute noch einige wenige in Indien und Nepal existieren.

Die grundlegende Struktur des Stupa hat der Buddha selbst festgelegt. Zunächst legte er seine Robe in vier Falten und beschrieb somit die vierstufige quadratische Basis des Stupa. Darauf platzierte er seine Bettelschale, mit der Öffnung nach unten, um damit die Kuppel anzudeuten. Darauf stellte er wiederum den traditionellen Mönchsstab und zeigte damit die Räder und die Schirmsektion des Stupa an. Spätere Variationen zeigen mitunter sehr viel mehr Detail, haben jedoch immer die grundlegende Struktur beibehalten.

Generell dienen Stupas dazu, die Präsenz des Buddha zu symbolisieren und sind daher dazu geeignet, Vertrauen und Mitgefühl hervorzurufen. Stupas enthalten also nicht nur die Reliquien von besonders heiligen Persönlichkeiten sondern symbolisieren auch den erleuchteten Geisteszustand eines Buddha. Dieser erleuchtete Geisteszustand manifestiert sich somit also unter anderem  auch in der Form von Stupas.
Tibetische Quellen nennen fünf ursprüngliche Formen von Stupas:

1. spontan entstandene Stupas
2. unvergleichliche Stupas
3. gesegnete Stupas
4. Stupas, welche Verwirklichungen hervor rufen
5. Stupas, welche die (Lehr-) Gefährte symbolisieren

Letzterer Typus wird wiederum in drei Arten unterteilt. Die dritte der drei Formen der fünften Art von Stupa wird als Mahayanastupa bezeichnet. Als symbolische Manifestation des vollständigen Pfades der zum Erlangen von Buddhaschaft führt, wird dieser Stupatypus auch 'Stupa derer, die den freudvollen Zustand erlangt haben', genannt. Um die Qualitäten eben dieser zu verdeutlichen gibt es also acht Arten von Mahayanastupa. Diese sind gemeinhin als 'die acht Arten von Stupas' im gesamten tibetischen Kulturraum weithin bekannt und verbreitet.

Die acht sind wie folgt benannt:

1. Lotusanhäufungs-Stupa
2. Erleuchtungs-Stupa
3. Glücksverheißender Stupa mit vielen Türen
4. Stupa der wundersamen Unterwerfung von Häretikern
5. Stupa des Abstiegs aus den Himmeln der Götter
6. Streitbeilegungs-Stupa
7. Segens-Stupa, auch als Siegreiche Stupa bekannt
8. Jenseits von Leid-Stupa

Die acht Arten von Stupas repräsentieren sowohl verschiedene Aspekte der Mahayanalehren des Buddha, als auch acht besondere Begebenheiten in seinem Leben. Diese sind seine Geburt, sein Erlangen von Erleuchtung, seine erste Lehrrede, sein Demonstrieren von Wundern, sein Herabsteigen aus dem Himmel der Götter, sein Schlichten von Streitigkeiten in der Gemeinschaft der Mönche, seine segensreichen Handlungen zum Wohle der Wesen und sein Dahinscheiden. Eine jede dieser Stupas hat ihre spezielle Form und steht in Zusammenhang mit einer dieser acht Handlungen des Buddha. Man findet solche Stupas mitunter in Gruppen von acht oder auch als einzelne individuelle Stupas, in welchem Fall die Bauform des Erleuchtungs-Stupa am häufigsten anzutreffen ist.

Der Erleuchtungs-Stupa bildet die Grundform aller anderen Typen von Stupas, welche allesamt Variationen eben dieser Grundform sind. Auch die sterblichen Überreste von großen Meistern werden in aller Regel in dieser Form von Stupa beigesetzt. Auf diese Art und Weise wird die Präsenz des Meisters fortgesetzt, weit über sein körperliches Dahinscheiden hinaus. Einen Stupa zu errichten, wird als eine der verdienstvollsten Handlungen überhaupt betrachtet.

Der Stupa stellt auf symbolische Weise den Körper des Buddha dar und dient auch als Erinnerung an seine Gegenwart in unserer Welt und an seine Lehren und Unterweisungen. Der wohl wichtigste Aspekt eines Stupa ist jedoch seine symbolische Darstellung des Pfades, der zur Erleuchtung führt. Ein jeder Teilaspekt eines Stupa steht so für eine Stufe auf diesem Pfad, wie etwa 'die vier grenzenlosen Gedanken', 'die 37 Aspekte von Erleuchtung', 'die zehn Einsichten', 'die zehn Kräfte', etc.

Mit dem Wissen um diese Punkte einem Stupa Respekt und Verehrung zu erweisen, Opferungen darzubringen oder ihn zu umwandeln, ist nicht verschieden davon, dem erleuchteten Zustand aller Buddhas Respekt, Verehrung und Opferungen darzubringen. Für Übende des Buddhadharma ist ein Stupa somit ein wichtiges Objekt der Verehrung und wird auf die selbe Art und Weise respektiert und verehrt wie der Buddha selbst. Einen Stupa auf eben diese Weise zu betrachten und verdienstvolle Handlungen auszuführen, befähigt die Praktizierenden dazu, Verdienst anzusammeln, welcher eine unverzichtbare Stütze ist auf dem Pfad zur Erleuchtung.