Unser kostbarer Übersetzer, der uns das Tor zu Tenga Rinpoches Lehren geöffnet hat, lässt uns dankbar zurück. Wie von selbst tauchen bei mir lebendige Erinnerungen an ihn auf.
- Fotos, die ihn als jungen Mann bei seiner Begegnung mit dem 16. Karmapa zeigen, im "DHARMA KING", diesem dem Andenken an den 16. Karmapa gewidmeten voluminösen Band, frühe Zeugen seiner Entschlossenheit, die kulturellen Schranken seiner britischen Erziehung zu überwinden. Seine Entscheidung, Tibetisch zu lernen und als Dolmetscher wirksam zu werden, hat ihn zu einem dieser frühen Übersetzer werden lassen, die wie durch ein Wunder auftauchten, als sie am dringendsten gebraucht wurden.
Unsere erste Begegnung bei Tenga Rinpoches Sommerkurs 1981 in Tegernbach bei Augsburg. Auf Tenga Rinpoches melodiöses Tibetisch folgten dann Edwards makellose Übersetzungen in geschliffenem klassischem Oxford-Englisch.
Tiefe Weisheit, Einweihungen, makrobiotisches Essen und eine Party mit Rinpoche.
- 1982 Falklandkrieg. Bei einer Autofahrt in London fruchtlose Diskussionen mit einem vor Begeisterung sprühenden Thatcherfan.
- Bei Chime Rinpoches Summercamps in Schwangau, auf einer herrlichen Wiese vor der Kulisse von Schloß Neuschwanstein, den heiteren Treffen einer entspannten Dharmagemeinschaft Mitte der 80er Jahre streichelt ein strahlend lächelnder Tenga Rinpoche auf der Bühne einem etwas verlegenen Engländer über den Kopf ...
Die eindrucksvolle Übersetzung eines kurzen, tiefgründigen Vortrags über die drei Wurzeln: Lama, Yidam und Schützer: https://youtu.be/qi6nrEziplw
- die beiden Edwards, Vater und Sohn, beim Verlassen des Kamalashila-Instituts 1989, mittlerweile ein schönes Andenken an eine lang vergangene Zeit. Zu sehen unter https://youtu.be/ZPKmK9qFrSs bei 05:38. Noch kein BMW Alpina.
- Gemütliche Abende in München, bei Besuchen, die seine Arbeit als Computer-Journalist mit sich brachte - ruhiges Rumhängen vor dem warmen Ofen mit den tänzelnden Flammen, mit einer Flasche Glenfiddich und vielen Zigaretten.
Und eine Tasse Tee. Ein paar Jahre mit wenig Kontakt.
- 2000. Der 17. Karmapa erscheint in der - scheinbar - Freien Welt.
Erste Sommerkurse in Tenga Rinpoches europäischem Sitz BPL (Benchen Phuntsok Ling, Belgium). Morgens 9 Uhr, Workshops. Ein lehrender Edward, umgeben von einer Gruppe farbenfroh gekleideter Teilnehmer, sitzt vor einer unverputzten Mauer.
Und dann, 2012. Der Tod von Kyabje Tenga Rinpoche, unserem Wurzel-Lama.
Eine letzte Kora mit Edward um den Hügel von Swayambhu mit tausend Trauernden, eine majestätische Verbrennungszeromie für einen großen Meister. Leere in meinem Kopf, melancholisch gefärbt, dann volle Überzeugung von seiner baldigen Rückkehr. Unser mütterlicher Lehrer läßt uns zurück mit der Aufgabe, das, was er gelehrt hat, anzuwenden.
Gate, Gate Paragate ...
London, Mai 2016. Chime Rinpoches Fest. Unser letzter gemeinsamer Tag in diesem Leben, ahnungslos. Auf einem Spaziergang durch London zeigt sich Edward noch einmal als perfekter Führer. Leckeres Essen in Chinatown. Unser Freund scheinbar gesund und taff wie immer.
Sein Mathestudium erwies sich als sehr hilfreich bei seiner Entwicklung zum Experten für "Kalacakra and the Tibetan Calendar" (so der Titel seines hochgelobten Buchs). Mit Hilfe der fortschreitenden Technik der Computergrafik entwickelte er einsgerichtet über die Jahrzehnte sein 3D-Kalacakra-Mandala. Die neueste und letzte Version kann auf Edwards Webseite http://www.kalacakra.org/ heruntergeladen werden.
Edward wird mir in Erinnerung bleiben als Mensch mit starken Überzeugungen, mutig und direkt, liebevoll und verletzend, als Profi in Meditation und Tanz, jemand, der großzügig den Anderen seine Fähigkeiten zur Verfügung stellt und auf dem Weg zur Verwirklichung von Mahamudra dem Vorbild seiner gütigen Lehrer folgt .
Eine Legende ist von uns gegangen.
Gute Reise, Du lieber Freund, Auf WiederSehen ...
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Wolfgang Neugebauer, November 2016